Zusammenfassung des Urteils AHV 2010/9 + KZL 2010/6: Versicherungsgericht
Die Firma M. wurde 2004 gegründet und ging 2007 in Konkurs. Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen forderte Schadenersatz in Höhe von CHF 121'196.20 für nicht bezahlte Beiträge. M. legte Einspruch ein, der abgewiesen wurde. M. erhob daraufhin Rekurs, argumentierte jedoch erfolglos gegen die Schadenersatzforderung. Das Gericht entschied, dass M. als Geschäftsführer grob fahrlässig gehandelt hatte und zur Zahlung verpflichtet war.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | AHV 2010/9 + KZL 2010/6 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung |
Datum: | 15.12.2010 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 52 AHVG, Art. 47 lit. d aKZG: Schadenersatzverfahren. Haftung des geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafters für entgangene bundesrechtliche und kantonalrechtliche Beiträge bejaht. Keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 15. Dezember 2010, AHV 2010/9 und KZL 2010/6). |
Schlagwörter : | Schaden; Schadenersatz; Beiträge; Gesellschaft; Recht; Arbeitgeber; Ausgleichskasse; Verschulden; Verfahren; Schadens; Organ; Hinweis; Schadenersatzforderung; Verjährung; Schadenersatzpflicht; Haftung; Lohnsumme; Hinweisen; Gallen; Vorinstanz; Akten; Beschwerdeführers; Rechtsprechung; Rekurrent; Geschäftsführer; Rekurs; Selbstverschulden |
Rechtsnorm: | Art. 14 AHVG ;Art. 52 AHVG ;Art. 716 OR ;Art. 718 OR ; |
Referenz BGE: | 112 V 3; 118 V 195; 121 V 244; 123 V 15; 123 V 215; 124 V 146; 128 V 13; 129 V 195; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 15. Dezember 2010
in Sachen
M. ,
Beschwerdeführer, Rekurrent, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Markus
Stadelmann, Marktstrasse 28, 8570 Weinfelden,
gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse und Familienausgleichskasse des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, Vorinstanz,
betreffend
Schadenersatzforderung
Sachverhalt:
A.
Die A. 2004 mit einem Stammkapital von Fr. 20'000.-gegründet. Seit der Gründung und bis September 2007 war M. als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelzeichnungsberechtigung mit einem Stammanteil von Fr. 19'000.-im Handelsregister eingetragen (act. G 3.181 im Verfahren AHV 2010/9; bei den nachfolgend zitierten Akten handelt es sich um diejenigen des Verfahrens AHV 2010/9, soweit nicht anders vermerkt). Am 10. Dezember 2004 wurde die Gesellschaft als beitragspflichtige Arbeitgeberin bei der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen angemeldet (act. G 3.5).
Über die Gesellschaft wurde am November 2007 der Konkurs eröffnet (act. G 3.110). Mangels Aktiven wurde der Konkurs am Januar 2009 eingestellt (act.
G 3.154). Nach zuvor eingeholter Stellungnahme verpflichtete die Ausgleichskasse M. mit Verfügung vom 13. Oktober 2009 zur Bezahlung von Schadenersatz im Betrag von Fr. 121'196.20 (Fr. 112'314.-für entgangene bundesrechtliche Beitrage sowie Fr. 8'882.20 für entgangene kantonalrechtliche Beiträge; act. G 3.177).
B.
Dagegen erhob M. am 16. November 2009 Einsprache (act. G 3.178), welche die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 26. Februar 2010 abwies (act. G 3.185).
C.
Gegen den Einspracheentscheid vom 26. Februar 2010 richtet sich betreffend den kantonalrechtlichen Teil der vorliegende Rekurs vom 15. März 2010. Der Rekurrent beantragt darin unter Kostenund Entschädigungsfolge dessen Aufhebung. Eventualiter sei die Schadenersatzforderung angemessen zu reduzieren. Subeventualiter sei die Angelegenheit zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er bestreitet, dass die Haftungsregelung von Art. 52 AHVG auch
betreffend Beiträge für die Familienausgleichskasse nach kantonalem Recht anwendbar sei. Denn es fehle die hierfür erforderliche hinreichend klare und eindeutige Verweisung. Ohnehin sei die Schadenersatzverfügung erst nach eingetretener Verjährung ergangen. Des Weiteren macht der Rekurrent geltend, dass er lediglich als Strohmann aufgetreten sei. Es treffe ihn kein grobfahrlässiges absichtliches Verschulden am eingetretenen Schaden. Vielmehr liege ein offensichtliches Selbstverschulden der Vorinstanz vor, da diese der Gesellschaft immer wieder Zahlungsaufschübe gewährt habe, ohne beförderliche Vorkehren zur Eintreibung der geschuldeten Beiträge getroffen zu haben. Hinzu komme, dass die Vorinstanz die Akontobeiträge nicht entsprechend der voraussichtlichen Lohnsumme angepasst habe (act. G 1 im Verfahren KZL 2010/6).
Die Vorinstanz beantragt in der Vernehmlassung vom 26. März 2010 die Abweisung des Rekurses. Die kantonalrechtliche Gesetzgebung enthalte bezüglich der Arbeitgeberhaftung und Schadenersatzpflicht einen ausdrücklichen Verweis auf die AHV-Gesetzgebung. Die Schadenersatzforderung sei nicht verjährt. Die Gesellschaft habe am 18. Januar 2005 eine Lohnsumme von Fr. 100'000.-gemeldet. Mit der Jahresabrechnung 2005 habe sie keine Anpassung der Lohnsumme trotz Hinweises in der Anleitung zur Jahresabrechnung verlangt. Die formellen Organe würden unabhängig von ihrer tatsächlichen Funktion und Einflussnahme auf die Willensbildung der Gesellschaft haften. Weder die Zeichnungsberechtigung noch der Grund für die Mandatsübernahme würden eine Rolle für die Haftung spielen (act. G 3 im Verfahren KZL 2010/6).
Betreffend den bundesrechtlichen Teil der Schadenersatzforderung erhebt M. am 31. März 2010 Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 26. Februar 2010. Deren Anträge und Begründung lauten im Wesentlichen gleich wie diejenige der Rekurseingabe (act. G 1).
Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Beschwerdeantwort vom 14. April 2010
die Beschwerdeabweisung. Zur Begründung verweist sie auf die Vernehmlassung vom
26. März 2010. Ergänzend bringt sie vor, dass ein erster Ratenplan vom 29. August 2006 eingehalten worden sei und somit keinen Einfluss auf den Schaden gehabt habe. Einen zweiten Ratenplan habe die Gesellschaft am 11. April 2007 verlangt. Wie
gewünscht seien neun Raten zwischen April und Dezember 2007 bewilligt worden. Da die Gesellschaft bereits die erste, im Gesuchsmonat fällige Rate nicht überwiesen habe, habe ihr Gesuch wohl die Fortführung des Betriebs auf Kosten der Sozialwerke und keine Sanierung der Finanzen bezweckt. Nach Dahinfallen des Ratenplans seien die Inkassomassnahmen fortgeführt worden. Es treffe sie kein Selbstverschulden (act. G 3).
Der Rekurrent und Beschwerdeführer verzichtet auf die Einreichung einer Replik (act. G 7 im Verfahren KZL 2010/6 und act. G 5).
Erwägungen:
1.
Da die Beschwerdeverfahren AHV 2010/9 und KZL 2010/6 den gleichen Sachverhalt betreffen und gestützt auf dieselben bzw. analogen rechtlichen Erwägungen zu entscheiden sind, sind die Verfahren zu vereinigen (vgl. BGE 123 V 215 E. 1).
2.
In den vorliegenden Verfahren ist die Schadenersatzpflicht des Beschwerdeführers/ Rekurrenten (nachfolgend ausschliesslich als Beschwerdeführer bezeichnet) für nichtgeleistete bundesund kantonalrechtliche Beitragsforderungen für 2006 bis Juni 2007 umstritten und zu prüfen.
3.
Betreffend die kantonalrechtliche Schadenersatzforderung ist vorweg der Einwand des Beschwerdeführers zu prüfen, für die kantonalrechtlichen Beiträge (FAK-Beiträge) bestehe keine ausreichende gesetzliche Grundlage.
3.1 Die Familienzulagen ausserhalb der Landwirtschaft richten sich für den hier streitigen Zeitraum (Beiträge Januar 2006 bis Juni 2007; vgl. act. G 3.185) nach kantonalem Recht, nämlich nach dem Kinderzulagengesetz des Kantons St. Gallen (KZG; sGS 371.1). Art. 52 des Bundesgesetzes über die Altersund
Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) stellt demgegenüber keine unmittelbare gesetzliche Grundlage dar für die Erhebung von Schadenersatz für entgangene kantonalrechtliche Beiträge (vgl. BGE 124 V 146 E. 1).
3.2 Das KZG ist ein formelles Gesetz. Der vorliegend einschlägige Art. 47 Abs. 1 lit. d aKZG (in der bis 31. Dezember 2008 gültigen, vorliegend anwendbaren Fassung) lautet: "Soweit dieses Gesetz keine Regelung enthält, werden die Bestimmungen der Bundesgesetzgebung über die Altersund Hinterlassenenversicherung und über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts sachgemäss angewendet, insbesondere für: [ ] d) Arbeitgeberhaftung und Schadenersatzpflicht;". Dieser ausdrückliche Verweis des kantonalen Rechts auf die AHV-rechtliche Haftungsbestimmung des Art. 52 AHVG ist hinreichend klar und eindeutig. Das kantonale Recht bietet gestützt auf Art. 47 Abs. 1 lit. d KZG eine genügende
gesetzliche Grundlage für die Schadenersatzpflicht für entgangene kantonale Beiträge.
4.
Des Weiteren stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, dass die dem Einspracheentscheid zugrundeliegende Schadenersatzverfügung vom 13. Oktober 2009 erst nach eingetretener Verjährung ergangen sei (act. G 1).
4.1 Gemäss Art. 52 Abs. 3 Satz 1 AHVG verjährt der Schadenersatzanspruch zwei Jahre, nachdem die zuständige Ausgleichskasse vom Schaden Kenntnis erhalten hat, jedenfalls fünf Jahre nach Eintritt des Schadens. Die Ausgleichskasse erlangt in dem Zeitpunkt Kenntnis vom Schaden, in dem sie unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können (BGE 129 V 195 E. 2.1).
4.2 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass die Verjährungsfrist mit der Publikation der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven vom Januar 2009 (act. G 3.154) begonnen habe und die Schadenersatzverfügung vom 13. Oktober 2009 somit innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist ergangen sei (act. G 3.185). Die Auffassung der Beschwerdegegnerin/Vorinstanz (nachfolgend ausschliesslich als
Beschwerdegegnerin bezeichnet) entspricht konstanter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BGE 128 V 13 E. 5b-d sowie Marco Reichmuth, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52 AHVG, Zürich 2008, S. 204, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Er führt aus, dass die Verjährungsfrist bereits mit dem Eingang des provisorischen Pfändungsverlustscheins am 3. Oktober 2007 bei der Beschwerdegegnerin begonnen habe (act. G 1). Die Zustellung eines
provisorischen Pfändungsverlustscheins vermag rechtsprechungsgemäss jedoch nicht, die Kenntnis des Schadens bei der Ausgleichskasse im Sinn von Art. 52 Abs. 3 AHVG mithin den Beginn der Verjährungsfrist zu begründen. Denn es entspricht einer Erfahrungstatsache, dass im Pfändungsstadium noch namhafte Beträge von Schuldnern eingehen können, bei denen eine Fortsetzung des Betreibungsverfahrens zunächst als erfolglos erscheint (Reichmuth, a.a.O., S. 200, insbesondere FN 1182, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Auch die vom Beschwerdeführer ins Feld geführten erkennbaren Zahlungsschwierigkeiten sind nicht geeignet, den Beginn der Verjährungsfrist im Januar 2009 in Frage zu stellen. Es ergeben sich aus den Akten auch keine weiteren Umstände, die zu einer anderen Bewertung der Verjährungsfrage führen könnten.
5.
Zu prüfen bleiben damit die Haftungsvoraussetzungen von Art. 52 Abs. 1 AHVG.
5.1 Laut Art. 52 Abs. 1 AHVG hat ein Arbeitgeber, der durch absichtliche grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Ausgleichskasse einen Schaden verursacht, diesen zu ersetzen. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, so können subsidiär gegebenenfalls die verantwortlichen Organe belangt werden (BGE 123 V 15
E. 5b mit Hinweisen). Art. 52 Abs. 1 AHVG sieht eine Verschuldenshaftung nach öffentlichem Recht vor. Damit eine Schadenersatzpflicht entstehen kann, müssen alle Haftungsvoraussetzungen gegeben sein, d.h. es muss ein Schaden eingetreten sein, der auf ein widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten des verantwortlichen Organs zurückzuführen ist.
Die Beschwerdegegnerin fordert vom Beschwerdeführer für entgangene bundesund kantonalrechtliche Beiträge für das Jahr 2006 sowie für Januar bis Juni 2007 insgesamt Schadenersatz im Betrag von Fr. 121'196.20 (Fr. 112'314.-für entgangene bundesrechtliche Beitrage sowie Fr. 8'882.20 für entgangene kantonalrechtliche Beiträge je inkl. Verwaltungskosten, Verzugszinsen und Mahngebühren, vgl. act. G 3.159-162).
Die Schadenersatzpflicht des verantwortlichen Organs setzt zunächst den Eintritt eines Schadens bei der Ausgleichskasse voraus. Der Schaden kann unbezahlt gebliebene paritätische AHV/IV/EOund ALV-Beiträge, Verwaltungskostenbeiträge, Mahngebühren, Veranlagungsund Betreibungskosten sowie Verzugszinsen für rückständige Beiträge umfassen (Thomas Nussbaumer, Das Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG, in: Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, St. Gallen 1998, S. 100). Zeitliche Grenze des zu berücksichtigenden Schadens bildet grundsätzlich die Konkurseröffnung bzw. im Falle des Beschwerdeführers das Ausscheiden als Gesellschafter und Geschäftsführer am
17. September 2007. Die schadenersatzpflichtige Person hat aufgrund ihrer Mitwirkungspflichten den Schadensbetrag substantiiert zu bestreiten, soweit die Forderung wie vorliegend - nicht auf rechtskräftigen Verfügungen beruht (ZAK 1991 S. 125, AHI-Praxis 1993 S. 172, SVR 2001 AHV S. 51 Nr. 15).
Der von der Beschwerdegegnerin nachvollziehbar begründete Schadensbetrag (act. G 3.177 sowie 3.159-162 und 182) blieb vom Beschwerdeführer unbestritten. Es ergeben sich aus den Akten auch keine offensichtlichen Berechnungsfehler, weshalb sich hierzu Weiterungen erübrigen und mit der Beschwerdegegnerin von einem Schadensbetrag von Fr. 121'196.20 bis September 2007 auszugehen ist.
Weitere Haftungsvoraussetzung für die vorliegend massgebliche Schadenersatzforderung ist die Widerrechtlichkeit.
Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. der Verordnung über die Altersund Hinterlassenenversicherung (AHVV; SR 831.101) schreibt vor, dass der Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung die Arbeitnehmerbeiträge in Abzug zu bringen und zusammen mit den Arbeitgeberbeiträgen der Ausgleichskasse zu entrichten hat. Bei einer
Lohnsumme von über Fr. 200'000.-hat der Arbeitgeber die Beiträge monatlich zu zahlen (Art. 34 Abs. 1 lit. a AHVV). Die Ausgleichskasse setzt hierzu Akontobeiträge aufgrund der voraussichtlichen Lohnsumme fest (Art. 35 Abs. 1 AHVV). Die Arbeitgeber haben der Ausgleichskasse wesentliche Änderungen der Lohnsumme während des laufenden Jahres zu melden (Art. 35 Abs. 2 AHVV). Die Beitragszahlungsund Abrechnungspflicht des Arbeitgebers ist eine gesetzlich vorgeschriebene öffentlichrechtliche Aufgabe. Dazu hat die Rechtsprechung festgehalten, dass die Nichterfüllung dieser öffentlichrechtlichen Aufgabe eine Missachtung von Vorschriften im Sinn von Art. 52 Abs. 1 AHVG bedeute und grundsätzlich die volle Schadensdeckung nach sich ziehe (BGE 118 V 195 E. 2a mit Hinweisen).
5.3.2 Aus den Akten ergibt sich, dass die Gesellschaft nicht vollumfänglich der Beitragspflicht nachgekommen ist, was zum Schaden der Beschwerdegegnerin geführt hat. Die Gesellschaft, bzw. deren Organe, haben damit die Beitragszahlungspflicht betreffend die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Ausstände missachtet, bzw. sich nicht darum gekümmert, womit die Widerrechtlichkeit als Haftungsvoraussetzung zu bejahen ist. Ein Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht.
Im Weiteren ist zu prüfen, ob die Vorschriften absichtlich grobfahrlässig missachtet wurden.
Bei der Prüfung der Verschuldensfrage ist zu berücksichtigen, dass sowohl ein Verschulden des Arbeitgebers wie des verantwortlichen Organs vorliegen muss. Nach der Rechtsprechung ist nicht jede Verletzung der öffentlichrechtlichen Aufgaben durch den Arbeitgeber ohne weiteres einem qualifizierten Verschulden seiner Organe gleichzusetzen. Vorausgesetzt ist vielmehr ein Normverstoss von einer gewissen Schwere. Eine Nichtabrechnung Nichtbezahlung der Beiträge genügt noch nicht, um ein qualifiziertes Verschulden anzunehmen. Vielmehr sind die gesamten Umstände zu würdigen. Die Frage der Dauer des Normverstosses ist dabei ein Beurteilungskriterium, das im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist und im Sinn der Rechtsprechung zu den Entlastungsgründen zur Verneinung der Schadenersatzpflicht führen kann (BGE 121 V 244 E. 4b mit Hinweisen). Von einem qualifizierten Verschulden ist in der Regel auszugehen, wenn beispielsweise ein
Arbeitgeber über längere Zeit seine Abrechnungsund/oder Ablieferungspflichten nur schleppend bloss teilweise erfüllt. Gegen ein qualifiziertes Verschulden kann beispielsweise eine relativ kurze Dauer des Beitragsausstands sprechen (BGE 121 V 244 E. 4b mit Hinweis). Bei der Verschuldensbeurteilung gilt ein objektiver Verschuldensmassstab, weshalb subjektive Entschuldbarkeit die Gründe für die Mandatsübernahme unbeachtlich sind (Ueli Kieser, Altersund Hinterlassenenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Band XIV, Soziale Sicherheit, 2. Auflage 2007, H 272 mit Hinweisen).
Bei der Beurteilung der Verschuldensfrage wendet der seit der Gesellschaftsgründung bis September 2007 im Handelsregister als Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift eingetragene Beschwerdeführer ein, dass er lediglich als "Strohmann" fungiert habe (act. G 1). Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht ausgeführt hat, hält dieses Argument selbst wenn es den tatsächlichen Umständen entspräche indessen nicht Stich. Denn ein geschäftsführender Gesellschafter kann sich, wenn es wie beim Beitragswesen um die Verantwortung in Geschäften geht, mit denen er sich von Gesetzes wegen befassen musste, nicht mit dem Einwand entschuldigen, er habe keinen tatsächlichen Einfluss auf die Geschäftsführung gehabt. Denn der Schuldvorwurf, der einen "Strohmann" trifft (BGE 112 V 3), rührt gerade aus dem Umstand, sich auf eine Organstellung eingelassen zu haben, die ihm die richtige gesetzlich vorgeschriebene Erfüllung dieses Amts, d.h. die ihm nach Art. 811 Abs. 1 des Obligationenrechts (OR; SR 220) in Verbindung mit
Art. 716 Abs. 2 OR und Art. 718 Abs. 1 OR obliegenden Aufgaben, verunmöglichen (vgl. Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 13. Februar 2001, H 87/00,
E. 3b). Die Motive, die den Beschwerdeführer zur Übernahme dieses Mandats bewegten, braucht sich die Beschwerdegegnerin ohnehin nicht entgegen halten zu lassen. Als Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter (Inhaber von Fr. 19'000.-von Fr. 20'000.-- Stammkapital) war er jedenfalls in einer Position, in der er die erforderlichen Abrechnungen und Zahlungen hätte veranlassen können und müssen.
Zusammenfassend hat der Beschwerdeführer als Organ der GmbH nicht dafür gesorgt, dass die während seiner Zeit als Geschäftsführer für das Jahr 2006 und das
Jahr 2007 bis und mit Juni geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäss abgerechnet und bezahlt wurden. Der Beschwerdeführer hat damit als verantwortliches Organ in erheblicher Weise und über einen längeren Zeitraum gegen elementare Vorschriften der Beitragsablieferungspflicht verstossen und in Kauf genommen, dass der Beschwerdegegnerin im Fall der Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen ein Schaden entsteht, so dass sein Verhalten grobfahrlässig im Sinn von Art. 52 AHVG war. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Beschwerdegegnerin wegen Zahlungsaufschübe ein erhebliches Selbstverschulden an der Schadenshöhe treffe, kann nicht gefolgt werden. Im vorliegenden Kontext ist von Belang, dass die Beschwerdegegnerin, die im Gegensatz zu anderen Gläubigern - öffentliche Aufgaben wahrnimmt, stets auch das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen hat, weshalb es ihr nicht ohne Weiteres zum Verschulden gereicht, wenn sie etwa um einer in Schwierigkeiten befindlichen Gesellschaft noch eine Chance zu geben - nicht mit aller Härte gegen sie vorgeht. Allein daraus ein Selbstverschulden der Beschwerdegegnerin ableiten zu wollen, ist der Sache nicht angemessen. Dass die Rüge des Beschwerdeführers, die Beschwerdegegnerin sei untätig geblieben, im vorliegenden Fall auch inhaltlich nicht begründet ist, belegen allein schon die zahlreichen in den Akten liegenden Mahnungen sowie Betreibungsund Fortsetzungsbegehren (vgl. etwa act. G 3.43, G 3.66, G 3.82 f., G 3.86, G 3.89 f.,
G 3.96 f., G 3.100 f. und G 3.107 ff.). Der Beschwerdeführer benennt keine weiteren überzeugenden Gründe, die sein Verhalten als nicht grobfahrlässig erscheinen lassen ein Selbstverschulden der Beschwerdegegnerin belegen würden. Solche ergeben sich auch nicht aus den Akten.
Schliesslich muss zwischen der schuldhaften Verletzung von Vorschriften und dem Eintritt des Schadens ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Ein Ergebnis hat dann als adäquate Ursache eines Schadens zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach allgemeiner Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg in der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt des Erfolgs durch das Ereignis also allgemein als begünstigt erscheint (AHI 1994 S. 204 mit Hinweisen). Vorliegend ist ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Unterlassungen des Beschwerdeführers und dem eingetretenen Schaden gegeben. Hätte der Beschwerdeführer dafür gesorgt, dass die A. ihren Beitragsabrechnungsund Ablieferungspflichten nachkommt, namentlich im Jahr 2006 rechtzeitig eine
Erhöhung der mutmasslichen Lohnsumme meldet (vgl. act. G 3.40 und 3.76, 77 sowie Art. 35 Abs. 2 AHVV), wäre kein Schaden in dieser Höhe entstanden.
Nach dem Gesagten sind somit die Voraussetzungen für die Leistung von Schadenersatz erfüllt. Exkulpationsoder Rechtfertigungsgründe liegen keine vor. Die Beschwerdegegnerin hat demnach den Beschwerdeführer zu Recht verpflichtet, Schadenersatz für entgangene bundesrechtliche Beiträge von Fr. 112'314.-- und für entgangene kantonalrechtliche Beiträge von Fr. 8'882.20 je inkl. Nebenkosten zu bezahlen.
6.
6.1 Die Beschwerde betreffend die bundesrechtlichen Beiträge und der Rekurs betreffend die kantonalrechtlichen Beiträge sind abzuweisen.
6.2 Das Beschwerdeverfahren ist gemäss Art. 61 lit. a des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) kostenlos. Angesichts der Tatsache, dass das kantonalrechtliche Verfahren, das einen wesentlich tieferen Streitwert aufweist, zusammen mit dem kostenlosen bundesrechtlichen Verfahren erledigt wurde, rechtfertigt es sich, im kantonalrechtlichen Verfahren in Anwendung von Art. 97 VRP auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Verfahren AHV 2010/9 und KZL 2010/6 werden vereinigt.
Die Beschwerde betreffend die bundesrechtliche Schadenersatzforderung und der
Rekurs betreffend die kantonalrechtliche Schadenersatzforderung werden abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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